Es klingt vielleicht unwahrscheinlich, aber die Partydroge und Betäubungsmittel Ketamin leistet gute Arbeit als Antidepressivum. Studien zeigen, dass ungefähr 70% der Patienten, die nicht auf konventionelle Antidepressiva reagieren von Ketamin profitieren. Die Wirkung dauert normalerweise einige Tage an. Wenn die Behandlung mehrere Male wiederholt wird, kann sich diese auf Wochen oder Monate verlängern.
Im Gegensatz zu regulären Antidepressiva hat „Special K“ ein aussergewöhnlich schnelles Einsetzen der Wirkung. Innerhalb einer Stunde erfahren Patienten, die unter Langzeitdepressionen leiden, Linderung der Symptome. Normale Antidepressiva brauchen normalerweise einige Wochen bis sie Wirkung zeigen.
Der synthetische Stoff wurde in den 1960er Jahren entwickelt und erlangte Bekanntheit als „Pferdebetäubungsmittel“. Bald nach seiner Entwicklung begannen Menschen aufgrund seiner psychoaktiven Wirkung auch als Freizeitdroge damit zu experimentieren. Bei niedriger Dosierung gibt „Keta“ ein mildes, träumerisches Gefühl, das an Lachgas erinnert. In höherer Dosierung wirkt Ketamin halluzinogen und dissoziativ: der Konsument fühlt sich oft von seinem Körper (oder Teilen davon) losgelöst mit dem Resultat einer ausserkörperlichen Erfahrung: dem berüchtigten K-Hole.
Ketamin ist als gewöhnliches Narkotikum für Menschen und Tiere gelistet. Seit zehn Jahren wird sein Potenzial als Antidepressivum erforscht – bis jetzt nur an Menschen, die nicht auf konventionelle Depressionsbehandlungen reagieren. Die Resultate sind vielversprechend, aber seine Sicherheit und die Langzeitauswirkungen müssen weiter erforscht werden, bevor es als offizielles Antidepressivum anerkannt werden kann. Trotzdem wenden es bereits jetzt einige Therapeuten unlizenziert bei depressiven Patienten an.
Im Gegensatz zu anderen Antidepressiva beeinflusst Ketamin nicht das serotonerge System, sondern wirkt auf einen anderen Neurotransmitter, nämlich Glutamat, ein, indem es die N-methyl-D-aspartat (NMDA) Rezeptoren blockiert. Der exakte Mechanismus ist sehr komplex und noch nicht vollständig erforscht, aber Gehirnscans haben gezeigt, dass es die Frontlappen aktiviert, welche bei depressiven Patienten normalerweise weniger aktiv sind.
Ketamin stimuliert das Wachstum von neuen synaptischen Verbindungen zwischen Neuronen. Laut dem niederländischen Forscher Ruud Kortekaas zeigen depressive Personen normalerweise wenig Veränderung in ihren Gedanken. Ketamin hilft dabei neue Gedankenmuster zu entwickeln, durch die Patienten eine neue Ansicht der Realität erhalten.
Für antidepressive Zwecke wird Ketamin normalerweise intravenös in geringer Dosierung verabreicht. Die Behandlung ist relativ kostspielig, da sie durchgehender Beobachtung bedarf und mehrere Male wiederholt werden muss, um das beste Ergebnis zu erzielen. Da das Medikament noch nicht genehmigt ist, wird es auch nicht von der Krankenversicherung abgedeckt. Experimente mit einfacheren Methoden der Verabreichung, wie in Form eines Nasensprays oder einer Tablette, werden bereits durchgeführt.
Die meisten Patienten beschreiben die dissoziativen, „trippigen“ Nebenwirkungen von Ketamin als angenehm. Da die Dosierungen relativ niedrig sind, bleiben diese Nebenwirkung relativ mild und halten nicht länger als die eigentliche Behandlung an. Zur Zeit entwickeln Pharmakonzerne auch Ketamin-ähnliche Substanzen, die keine psychoaktive Wirkung haben.
Von der Selbstbehandlung mit Ketamin wird abgeraten, weil die dissoziative Wirkung zu gefährlichen Situationen führen kann. Da Ketamin sowohl den Herzschlag als auch den Blutdruck erhöht, ist eine durchgehende Beobachtung während der Verabreichung vorausgesetzt. Ausserdem kann illegal erworbenes Ketamin unrein sein und eine gefährliche Mischung von Produkten enthalten.
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Quellen
-NY Times (Englisch)
-Ketamine Advocacy Network (Englisch)
-Ketamine Effective At Treating Depression (Englisch)
-Ketamine May Relieve Depression Quickly For Those With Treatment-Resistant Bipolar Disorder (Englisch)
-Ketamine Relieves Depression Symptoms Within Hours (Englisch)
-Labyrinth (Niederländisch)
-Jellinek (Niederländisch)