In der Reihe “Azarius Experiences” teilt einer der unbezähmbaren Azarius Mitarbeiter seine Erfahrung mit einer psychoaktiven Substanz oder einem Produkt, das mit einem psychonautischen bzw. Stone-Thema zu tun hat. Heute der zweite Teil über Ayahuasca:
“Meine erste Ayahuasca-Erfahrung war nicht sehr besonders und da ich von mehreren Seiten gehört hatte, dass die erste Erfahrung nicht sehr intensiv war, beschloss ich es noch einmal auszuprobieren.
Wir befinden uns sechs Monate später und das Tipi hat für eine wunderschöne Holzhütte mit Feuerstelle Platz gemacht. Es gibt ausserdem eine echte Toilette. Im Vergleich zum ersten Mal scheinen die Bedingungen um einiges verbessert. Jedoch ist es bereits Winter und deshalb relativ kalt.
Trippt man von Ayahuasca?
Einige Stunden nach unserer Ankunft warten wir auf unseren Liegematten in der Hütte bis uns der Schamane aufruft. Der Typ neben mir scheint sehr nervös zu sein. Plötzlich schaut er mich an und sagt: „Das ist mein erstes Mal Ayahuasca. Normalerweise nehme ich nur Kokain. Einmal habe ich LSD ausprobiert, das war grauenhaft. Ich trippe überhaupt nicht gerne. Übrigens, von Ayahuasca trippt man nicht, oder?"
Der Typ meinte es offensichtlich ernst und ich wusste nicht was ich sagen sollte: "Auf Ayahuasca wirst Du unglaublich stark trippen, sogar mehr als auf LSD," schien mir albern. Glücklicherweise rief mich zu diesem Zeitpunkt der Schamane auf. Schnell ging ich nach vorne und nahm meine Portion Ayahuasca ein. Als ich wieder auf meiner Matte sass, ging der Typ neben mir nach vorne, vollkommen unwissend auf was er im Begriff war sich einzulassen. Kopfschüttelnd schaute ich ihm nach.
Frische Luft
Als alle Teilnehmer ihre Portion eingenommen hatten, sagte der Schamane zu uns: „Ihr solltet versuchen von allem loszulassen. Ich und mein Assistent werden uns um euch kümmern.“ Ich glaube, dass der Typ neben mir, diese Aussage sehr wörtlich aufgenommen hat. Ungefähr 45 Minuten nach der Einnahme begann er plötzlich zu schreien: "HILFE, HILFE, ich kann nicht loslassen!!! Hilfe, Hilfe mein Ich. MEIN ICH!" Währenddessen fuchtelte er mit seinen Armen und Beinen in der Luft, zur Hälfte über meiner Matte. So wurde ich mehr oder weniger nach draussen verjagt.
Dort angekommen holte ich tief Luft. Langsam begann der Trip zu wirken. Ich hatte keine Ahnung was ich tun sollte. Es war eiskalt, aber ich wollte nicht zurück in die Hütte gehen. Auch ungefähr 50 Meter von der Hütte entfernt konnte ich die Angstschreie meines Nachbarn noch hören. Leider merkte ich nicht, dass das Ayahuasca langsam den Kontakt mit der Realität auflöste. In diesem Zustand beschloss ich alleine in den Wald zu gehen – mitten im Winter um Mitternacht und es fror – und mich dort auf den Boden zu legen.
Tod und Wiedergeburt
In der eisigen Kälte, ganz alleine, begann eine Reise, die mich in die tiefen, dunklen und düsteren Orte unserer Existenz führte. Mehrere Male erfuhr ich den Tod, um dann wieder in eine dunkle Welt zurückzukehren. Ich machte sogenannte Todes- und Wiedergeburt-Zyklen durch. Dies ist ein relativ bekanntes Phänomen, dem man während des Trips ausgesetzt werden kann. Das einzige Problem dabei war, dass ich mich wirklich zu Tode fror.
Ich habe keine Ahnung wie lange ich dort gelegen bin. Auf einmal hörte ich eine Stimme, die sanft aber zwingend zu mir sagt: „Du MUSST jetzt aufstehen sonst wird etwas schief gehen." Irgendetwas in mir führte den Befehl aus und ich ging wie automatisch auf die Hütte zu.
Wenn loslassen nicht funktioniert
Auch Stunden später schrie der Typ noch immer den gleichen Satz: "HILFE, HILFE, ich kann nicht loslassen, mein Ich, mein Ich. Hilfe!!!" Der Schamane und sein Assistent schenkten ihm ihre gesamte Aufmerksamkeit. Alle Rituale, die sie versuchten anzuwenden, um ihm dabei zu helfen loszulassen halfen nichts, der Typ wartete einzig darauf, dass das Ayahuasca zu wirken aufhörte.
Ich war komplett erstarrt von der Kälte und setzte mich ans Feuer. Nach einer Weile hörte mein Trip zu wirken auf und ich erinnerte mich, dass ich lange Zeit draussen verbracht hatte. Der Typ hörte endlich auf zu schreien.
Zwei Tage später bekam ich Bronchitis. Einige Wochen später hörte ich, dass viele Leute in der Kälte nach draussen gehen und sich hinlegen. Manchmal führt dies zu ernsthafter Unterkühlung. Im Nachhinein wurde mir bewusst, dass es sehr knapp war.
Als ich im Wald war, passte niemand auf mich auf – nicht wie es eigentlich versprochen war. Und ich spürte die Kälte überhaupt nicht. Hätte mich nicht irgendetwas in mir dazu gebracht wieder in die Hütte gehen, wäre es vielleicht schlecht für mich ausgegangen. Die Erfahrung war auf alle Fälle keine 90 Euro wert!"
Anmerkung von Azarius: Nicht jede Ayahuasca-Zeremonie ist gleich. Diese Rituale werden von verschiedenen Gruppen, Schamanen und anderen Aufsehern durchgeführt, wodurch die Qualität sehr unterschiedlich sein kann. Wenn Du neugierig über Ayahuasca bist und Situationen, wie oben beschrieben, vermeiden willst, bereite dich gut vor. Nimm ausschliesslich an Zeremonien teil, von denen Du gute Eindrücke vernommen hast und gehe zusammen mit jemandem, dem Du vertraust.“